Der Wiederaufschwung zeichnete sich klar ab… bis zum 24. Februar 2022!
Zwei Jahre Pandemie höhlten die Moral der Finanzmärkte aus: Der unerwartete Einbruch vieler Bereiche der europäischen und weltweiten Wirtschaft, verbunden mit Versorgungsengpässen, beeinflusste zweifelsohne die Leistungen der Eurozone und der wichtigsten Weltwirtschaften wie China und USA.
Trotzdem standen die Zeichen für das Jahr 2022 auf Grün und die Analytiker hatten allen Grund zum Optimismus. Und dann, am 24. Februar, erwachte Europa mit einem neuen Krieg vor seinen Toren, einem Krieg, der eine humanitäre Katastrophe darstellt. Er wird sich aber auch im Bereich der Wirtschaft schwerwiegend und dauerhaft auswirken.
Für die OECD ist die Situation klar: «Vor dem Konflikt wurde erwartet, dass sich die Weltwirtschaft nach der Pandemie aufgrund des weltweiten Impffortschritts, der makrowirtschaftlichen Ausdehnung grosser Wirtschaftsbereiche und der günstigen finanziellen Voraussetzungen in den Jahren 2022 und 2023 erholen würde.» Ende Dezember 2021 fielen die Hochrechnungen äusserst optimistisch aus: Das weltweite Wachstum des BIP sollte 2022 rund 4.5 % und 2023 rund 3.2 % betragen. Die beiden ersten Monate des Jahres 2022 schienen diese Tendenz zu bestätigen. Nach den Beeinträchtigungen durch die Variante Omikron erlebte die wirtschaftliche Tätigkeit in den meisten Ländern rasch einen Aufschwung.
Der einzige Wermutstropfen war die seit 2021 anhaltende globale Teuerung, die aber nicht weiter zu beunruhigen schien. Die Preiserhöhungen für Nahrungsmittel und Energie, die Lieferengpässe aufgrund der Pandemie und eine rasche Zunahme der Nachfrage ab Mitte des Jahres 2020 führten nämlich zu einer allgemeinen und rasch ansteigenden Inflation, insbesondere in den Vereinigten Staaten, in Lateinamerika und in zahlreichen Ländern Zentral- und Osteuropas.
Jährliche Inflation
Die ersten Auswirkungen des Krieges sind bereits zu spüren
In dieser instabilen Situation des Wiederaufschwungs erfolgte die Invasion der Ukraine durch Russland. Dieser Krieg in Europa bedeutet eine schwere humanitäre Krise, die Millionen von Menschen betrifft. Er ist aber auch für die Wirtschaft ein grosser Schock, dessen Dauer und Tragweite noch nicht eingeschätzt werden können.
Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Berichts zeigen sich in den meisten europäischen Wirtschaften bereits erste Auswirkungen dieser Krise.
Obwohl Russland und die Ukraine in Bezug auf die Produktion nur eine mässige Bedeutung besitzen, sind sie doch wichtige Exporteure von Nahrungsmitteln, einschliesslich Futtermittel, Mineralien und unentbehrlichen Energieprodukten. Der Krieg führte bereits zu weitreichenden wirtschaftlichen und finanziellen Erschütterungen. Betroffen sind insbesondere der Rohstoffmarkt sowie die Preise für Erdöl, Gas und Getreide, die sprunghaft ansteigen.
Veränderungen in % gegenüber dem Durchschnitt von Januar 2022
Ein Anstieg der globalen Inflation
Falls diese Preiserhöhungen für die Rohstoffe und die Schwankungen der Finanzmärkte, die seit Ausbruch des Kriegs zu beobachten sind, länger andauern sollten, könnten sie schwerwiegende Folgen haben. Das weltweite Wachstum des BIP dürfte im ersten Jahr um mehr als 1 Prozentpunkt sinken, in Russland würde sich eine schwere Rezession bemerkbar machen und die weltweite Inflation, gemessen an den Konsumentenpreisen, könnte um rund 2½ Prozentpunkte ansteigen.
Beim heutigen Stand ist das Risiko einer Stagnation, verbunden mit einer Inflation, nicht zu vernachlässigen. Das Institut für Wirtschaftsstudien von Science Po in Paris erinnert daran, dass sich die öffentliche Politik in bedeutendem Mass auf die Energiepreise, die Versorgung, die öffentlichen Investitionen und die Unterstützung der finanzschwachen Bevölkerungsgruppen auswirkt.
Anstieg der Energiepreise
Erdöl
Brent, USD/baril
Gas
EUR/MWh
Kohle
Newcastle ( fob ), USD/Mt