Landesmantelvertrag – kantonale Vereinbarung: allein auf weiter Flur
Die Schweizer Partnerschaft erlebt schwierige Zeiten. Es scheint sich gegenwärtig mehr um einen Kampf zwischen ihren Organen als um einen Einsatz für die Branche, ihre Rahmenbedingungen und ihre Attraktivität zu handeln.
Der Landesmantelvertrag wird 2022 vollständig erneuert. Seit Beginn des Jahres 2021 ist festzustellen, dass der SBV eine Strategie entwickelt, die belegen soll, dass die Grundlagen des LMV, insbesondere die Mindestlöhne, die allgemeinen Lohnerhöhungen und gar der LMV selbst die Arbeitsplätze gefährden. Zudem soll ein vertragsloser Zustand kein Tabu mehr sein, da die geltenden gesetzlichen Bestimmungen [insbesondere das EntsG] genügend Schutz bieten.
Diese Behauptungen verschleiern die ganze bekannte Geschichte seit der Einführung der Personenfreizügigkeit. Zudem fehlt ihnen jeglicher Bezug zur Realität der paritätischen Kommissionen. Die von ihr behandelten Dossiers zeigen nämlich klar auf, dass die Schweizer Unternehmen ohne einen GAV im Hinblick auf die Mindestlöhne und andere Sozialleistungen gegenüber den ausländischen Unternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig wären. Alles, was zum Erfolg der Schweiz beiträgt und worum uns die europäischen Nachbarn beneiden, würde zunichte gemacht. Und genau das wollten der WBV und sein Vorstand vermeiden.
Wie kann man in einer Zeit [die länger andauern wird] mit einem offensichtlichen Nachwuchsproblem die Gleichung anstellen, dass eine Lohnerhöhung den Arbeitsstellen schaden würde? Ausserdem stellten die Arbeitnehmer im Geschäftsjahr 2020/2021 eine grosse Opferbereitschaft unter Beweis, obwohl Covid grosse Befürchtungen auslöste, da die Heftigkeit der Pandemie und ihre Risiken für die gesamte Bevölkerung noch nicht klar erkennbar waren.
So konnte das Jahr 2021 mit einer Erhöhung der Lohnsumme abgeschlossen werden. Die Unternehmen hatten mit ihrer Organisation und ihrem Personal der Branche ermöglicht, der Pandemie standzuhalten. Angesichts dieser Elemente konnte man beim besten Willen keine Lohnreduktion für unsere Mitarbeitenden akzeptieren.
Deshalb teilte der Präsident des WBV der Region Romandie und der Delegiertenversammlung mit, dass der WBV der Philosophie und der Richtung von Zürich nicht folgen könne. Die anschliessenden Verhandlungen verfolgten das Ziel, den ausgezeichneten Einsatz der Arbeitnehmer anzuerkennen. Gleichzeitig sollten wichtige Bestimmungen für das interne Management der Unternehmen festgehalten werden. Auch eine Solidarität und Unterstützung an anderen Fronten, an denen unsere Partner wichtig und unentbehrlich sind [öffentliches Beschaffungswesen, Schwarzarbeit, unlauterer Wettbewerb, Nachwuchs, …] wurde gefordert.
So gewährten wir eine Lohnerhöhung von insgesamt 1.5 %, die einen individuellen Teil enthält, damit den Unternehmen eine gezielte Personalpolitik ermöglicht wird. Vor allem erreichten wir, dass während der Periode der Erneuerung des LMV auf Kantonsgebiet weder Kundgebungen noch provozierende Aussagen erfolgen werden.
Die paritätischen Kommissionen arbeiten ähnlich wie die Gerichte. Sie setzen sich aus Vertretern der Unterzeichnerparteien zusammen, die bei der Annahme ihres Auftrags den Mantel des Gewerkschafters oder des Unternehmers ablegen und sich dazu verpflichten, die Vereinbarung einheitlich und unparteiisch zu vertreten, wie dies auch Themis, die Göttin der Gerechtigkeit aus dem Göttergeschlecht der Titanen, mit verbundenen Augen tat.
Die Kommissionen werden von kompetenten Juristen begleitet oder beraten, welche die Rechtssicherheit gewährleisten, ohne sich in Fragen der Auslegung oder des Ermessens einzumischen.
Die Plenarkommission der PBK und ihre Subkommissionen treffen sich insgesamt mehr als zwanzigmal pro Jahr, um insbesondere Dossiers des VVBK und der KBI zu behandeln. Auch wenn intensive Diskussionen stattfinden, werden die Beschlüsse praktisch immer einstimmig gefällt, so dass der Stichentscheid des Präsidenten nicht benötigt wird. Dies zeugt von der Qualität, von der Unabhängigkeit und vom Verstand der Vertreter, welche die Bestimmungen und ihren Sinn und Geist ohne Bekehrungseifer vertreten und so den Kampf gegen die rücksichtslosen Unternehmen konsolidieren und ihm Glaubwürdigkeit verleihen.
Die Sozialpartner, diesmal im erweiterten Kreis, gründeten vor über 5 Jahren den VVBK (Verband zur Verstärkung der Baustellenkontrollen). Dieser Verband ist einmalig und setzt sich aus allen paritätischen Kommissionen des Bauhauptgewerbes und des Ausbaugewerbes zusammen. Sie haben eine Einheit mit vereidigten Kontrolleuren geschaffen, die auf dem Gebiet des gesamten Kantons Wallis Kontrollen in Bezug auf illegale Arbeit sowie Schwarzarbeit durchführen und dafür sorgen, dass die gesetzlichen Bestimmungen umgesetzt werden.
Jährlich verfasst der VVBK allein für unsere Branche zwischen 120 und 150 Berichte. Glücklicherweise kommen Verstösse nicht regelmässig vor. Aber die Berichte zeigen auf, dass die Sozialpartner der Bauwirtschaft sehr oft vor Ort anwesend sind, um gegen solche Verstösse zu kämpfen, aber auch um die mehrheitlich korrekten Unternehmen in unserem Kanton zu unterstützen.
Die Sozialpartner beschäftigen sich auch mit anderen Dossiers, mit denen die Branche in ihrer Gesamtheit vertreten wird. Es handelt sich um das öffentliche Beschaffungswesen, – wir werden später darauf zu sprechen kommen – die Berufsbildung und die Fortbildung, das EntsG, das Gesetz gegen die Schwarzarbeit, usw. So handelt es sich um eine Realität, wenn der WBV nach aussen behauptet, dass er in über 80 % der Fälle Partner und nicht Gegner der Gewerkschaften ist. Und diese Realität gründet auf dem gegenseitigen Respekt, auf Zugeständnissen, auch auf Widersprüchen, aber schliesslich auf dem Willen, die Rahmenbedingungen der Bauwirtschaft zu verbessern, mit der sich die Sozialpartner wirklich verbunden fühlen.
Die Sozialpartnerschaft ist auch wichtig für die Verwaltung unserer paritätischen Institutionen. Diesbezüglich werden auf der Grundlage des gesunden Menschenverstands und ohne Dogmen laufend Reflexionen angestellt.
PKBW – Berufliche Vorsorge
Die PKBW ist ein Vorzeigemodell dieser vorbildlichen Zusammenarbeit. 2021 erbrachte sie eine solide Leistung, mit welcher der Deckungsgrad konsolidiert wurde. Die Kasse konnte ihren Versicherten aber auch einen grosszügigen zusätzlichen Zins von 2 % gewähren.
Die Aufteilung des Jahresgewinns – zwischen der Konsolidierung der Kasse aufgrund ihrer gegenwärtigen und künftigen Verpflichtungen und der Konsolidierung des individuellen Sparguthabens der Arbeitnehmer – bildete Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Die Tatsache, dass wir immer länger leben, wird in der nationalen Politik thematisiert. Der Umwandlungssatz ist nicht mehr angepasst, da er für die junge Generation zusätzliche Kosten verursacht. Nach lebhaften Diskussionen akzeptierten unsere Partner trotzdem eine Reduktion des Umwandlungssatzes auf 6.8 %. Dieser Satz liegt immer noch klar über dem effektiven Satz unserer Kasse, der 5.3 % beträgt. Andererseits wurde auch beschlossen, ein Modell für die Aufteilung des Gewinns, welcher durch die Geldanlagen generiert wird, einzuführen.
Ein weiteres Mal konnte dank der Berücksichtigung aller Interessen ein Konsens gefunden werden, obwohl die Ansichten der Parteien ursprünglich weit auseinanderlagen.
Mit einem Vermögen von mehr als einer Milliarde steht die Pensionskasse der Bauwirtschaft des Kantons Wallis vor grossen Herausforderungen. Der Stiftungsrat – paritätisch zusammengesetzt aus Personen mit praktischer Erfahrung, die nicht ihre eigenen Interessen, sondern diejenigen der Unternehmen und der Arbeitnehmer vertreten – und die kompetente Direktion können Lösungen erarbeiten, zu denen das Schweizer Parlament immer noch nicht fähig ist.
CAFIB – Familienzulagenkasse
Die CAFIB wurde im Jahr 1951 gegründet. Damals bezahlten die Arbeitgeber die gesamten Beiträge. Der WBV bewies seinen gesunden Menschenverstand, indem er die Vertreter der Gewerkschaften in den Verwaltungsrat der Kasse einbezog. Damit wurden eine direktere Kommunikation mit der Basis und die Anpassung der Leistungen durch eine globale Vision der Situation ermöglicht.
Im Verlauf der Zeit änderte sich die Gesetzgebung und in den Räten sind die Parteien jetzt paritätisch vertreten. Die vom Staatsrat angenommene Initiative der SCIV, die eine bedeutende Erhöhung der Familienzulagen fordert, wurde vom WBV formell nicht bestritten, abgesehen von der Aufteilung der durch diese Massnahme bedingten Beitragserhöhung. Dabei wurde keine dogmatische Position eingenommen, mit der behauptet worden wäre, dass die Zulagen genügend hoch seien, der weltweite wirtschaftliche Kontext nicht für eine Erhöhung der Lasten der Unternehmen spreche und es sich nicht um eine gezielte Massnahme für Personen in Notlage handle.
Angesichts der effektiven Kosten und der Voraussetzungen der kantonalen Kassen siegte der pragmatische Ansatz. Auch wenn es sich nicht um eine absolute Zustimmung handelte, bestand doch die Überzeugung, dass ein Kampf nicht zweckmässig wäre, da das Parlament die Finanzierung dieser Massnahme über eine paritätische Beitragserhöhung genehmigte.
Krankentaggeldversicherung
Nach intensiven Diskussionen schlossen die Sozialpartner einen neuen Vertrag mit mehreren Partnern, aber einem einzigen Hauptversicherer, der Groupe Mutuel, ab. Diese Kasse verwaltet künftig die Dossiers aller Unternehmen, was eine klare Vision ermöglicht. Zudem wird das Case Management erleichtert, das über Anreize und fortschrittliche Massnahmen die Zahl der Fälle, ihre Dauer und schliesslich ihre Kosten senken soll.
Aufgrund der Rückkehr zu einem Versicherungssystem, in dem die Verluste übernommen und in guten Jahren durch die Gewinne kompensiert werden, war der Vertrag im Jahr 2021 mehr als ausgeglichen.
So konnte dank des guten Einvernehmens mit der Groupe Mutuel, aber auch dank der Diskussionen unter den Sozialpartnern, eine Prämienreduktion erreicht werden, obwohl der Vertrag normalerweise für 3 Jahre festgelegt worden war. In Anerkennung der Bemühungen der Arbeitgeber für eine Lohnerhöhung waren die Partner damit einverstanden, dass die Arbeitgeber von der gesamten Prämienreduktion profitierten. Auch hier wurde wieder für alle Unternehmen ersichtlich, dass der WBV als Verband die gesamte Branche vertritt und dass die Solidarität notwendig und vor allem fruchtbar ist. So wird mit den paritätischen Kassen zugleich auch eine Öffnung und ein gutes Management, aber auch die bewährte politische, wirtschaftliche und soziale Politik unseres Verbands gefördert.
RETABAT – Frühpensionskasse
Wenn es nur ein Beispiel einer starken und im Kanton Wallis fest verankerten Sozialpartnerschaft gäbe, wäre es mit Sicherheit die RETABAT.
Als die Kasse unter dem Druck des Bundesgerichts, der Aufsichtsbehörde und des Kantons Reserven bilden musste, um innert kurzer Zeit einen Deckungsgrad von 100 % zu erreichen, hätte für den Stiftungsrat einzig und allein eine Beitragserhöhung grundsätzlich die einfachste Variante dargestellt. Aber die Sozialpartner beschränkten sich nicht auf diese Massnahme. Sie suchten gemeinsam nach anderen Lösungen, um die wesentliche Errungenschaft, nämlich die Frühpension der Arbeitnehmer, welche die meiste Zeit ihrer beruflichen Tätigkeit in unserer Branche verbringen, mit vertretbaren Kosten für die Unternehmen sicherzustellen.
Dazu wurden verschiedene Ansätze geprüft. Neben einer bedeutenden und unausweichlichen Beitragserhöhung wurde auch über eine Reduktion der Leistungen, die Förderung des Rentenaufschubs und die Auszahlung von Teilrenten im ersten Jahr diskutiert.
Trotz einer wiederholten Anfechtung der Legitimität der ausgehandelten Bestimmungen konnten diese Elemente schliesslich vor den Bundesbehörden, der Aufsichtsbehörde, dem Staat Wallis und den Gerichten mit Erfolg vertreten werden. Und die Ergebnisse sind heute spürbar: RETABAT verfügt auf Ende 2021 über einen Deckungsgrad von 68 %. Gemäss den Prognosen sollte sich dieser Prozentsatz in den kommenden Jahren rasch erhöhen.
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